Faszien halten Muskeln, Sehnen, Knochen, Gefässe und Nerven zusammen
Faszien sind ein Derivat des Bindegewebes und haben denselben Gewebe-Ursprung wie Knochen, Sehnen, Skelettmuskulatur, Blut- und Lymphgefäße, Blutkörperchen und die Milz. Sie bilden sich aus dem embryologischen Ursprungsgewebe des Mesoderms. Daraus lässt sich die spätere Funktion der Faszien als schützendes, konstruierendes, und regulierendes Körpergewebe ableiten.
Die Faszien erfüllen eine wichtige Schutzfunktion: Durch die Errichtung von Barrieren verhindern sie das Eindringen von Fremdkörpern und erfüllen mittels phagozytierender Zellen in den Geweben eine immunitäre Abwehrfunktion.
Die Faszien sind ein konstruierendes Körpergewebe: Aus histologischer Sicht lassen sich Faszien, in Abhängigkeit des jeweiligen Autors (Friedlin 2003), als verschiedene Arten von faserigem, lockerem und geordnetem Bindegewebe zusammenfassen. Dieses vielverzweigte Netzwerk an faserigen Verbindungen wird durch die auf das Körpergewebe einwirkenden Wachstums- Belastungs- und Stressfaktoren beeinflusst.
Es wurde nachgewiesen, dass das Form- und Belastungsverhalten eines Körpers durch die Faszien mehr beeinflusst wird als durch die darin liegenden Festkörper (Knochen, Organe,...) (Myers 2001).
Einige Autoren benennen die Faszien auch als „Organ der Form“ (Varela 1987, Rolf 1997) und als tragendes Organ des Körpers. Zum besseren Verständnis wird das Fasziennetz häufig als archtiktonische "Tensegrity Struktur" (engl. „tension“=Zugspannung, „integrity“=Ganzheit) beschrieben. Es handelt sich hierbei um ein stabiles, selbsttragendes Konstrukt, das aufgrund einer „ganzheitlichen Druck- und Zugspannung“ seine eigene Form bewahrt und auftretende Belastungen absorbiert. (siehe das von Buckminster Fuller (1954) und Snelson beschriebenen „Tensegrity Modell“).
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Das Bindegewebe kann Körperfunktionen regulieren
Den meisten Menschen ist es nicht bekannt, dass unsere Muskeln mit ihren Faszien unsere reichhaltigsten Sinnesorgane sind, und unser zentrales Nervensystem die meisten sensorischen Informationen von ihnen erhält (ca 25 % Golgi- Pacini- und Ruffini-Rezeptoren und 75 % aus freien Nervenendungen (Schleip 2004)). Das Bindegewebe ist also reich an nervalen (Nerven und Rezeptoren, Schmerzrezeptoren) und vaskulären (Arterien und Venen) Strukturen.
Das Faszien Distorsions Modell
Das Fasziendistorsionsmodell ist eine medizinische Sichtweise, welche die Ursache für körperliche Beschwerden und Funktionseinschränkungen auf eine oder mehrere von sechs typischen Verformungen der menschlichen Faszien zurückführt. Die Faszien Distorsions-Diagnostik basiert auf drei Säulen und führt zu einer eigenständigen Diagnose. Einen besonderen Stellenwert nimmt dabei die Interpretation der Schmerzgestik des Patienten ein. Durch eine spezielle Deutung können intuitive Gesten entschlüsselt werden und geben direkte Hinweise auf Faszienverformungen.
Das folgende Video zeigt die Anwendung von Techniken des Faszien Distorsions Modells nach Typaldos während einer Fortbildung.
Video ansehen (öffnet neues Fenster) Quelle: Yuotube: Akademie für Alternativmedizin
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Was meint verklebtes Bindegewebe?
Wie können Faszien verkleben, was muss man sich darunter vorstellen?
Immer häufiger hört man den Begriff „verklebtes" Bindegewebe. Oft im Zusammenhang mit der Ursache für Schmerzen oder Symptome. Was hat man sich nun darunter vorzustellen, entsteht etwa vor dem inneren Auge eine Zuckerwatte? Nein, vermutlich nicht...
Ich möchte mir an dieser Stelle ein paar Gedanken zu diesem Begriff erlauben und erläutern wie es dazu kommen kann, dass Fasziengewebe "verklebt". Dazu möchte ich folgendes Bild in Erinnerung rufen: Stellen Sie sich zwei Glasscheiben vor, die direkt aufeinanderliegen. Diese beiden Scheiben sollen zwei Faszienschichten symbolisieren. Gebe ich nun ein paar Tropfen Wasser zwischen die beiden Glasscheiben, beginnen sie aufeinander „zu schwimmen“, d.h. sie sind untrennbar miteinander verbunden und können sich doch gegeneinander bewegen. Man spricht in diesem Fall von Adhäsionskräften, die dieses widersprüchliche Verhalten der beiden Glasscheiben zueinander ermöglichen.
Analog zu diesen Eigenschaften der Glasscheiben verhält es sich auch im Fasziengewebe. Das Fasziengewebe kann man sich wie eine netzartige Struktur
vorstellen, die aus parallelfaserigem Bindegewebe aufgebaut ist.
Diese parallele Anordnung der Bindegewebsfasern ist es, die dem Fasziengewebe einerseits eine hohe Festigkeit gibt und andererseits aufgrund seiner netzartigen Struktur eine enorme Verformbarkeit garantiert. Innerhalb dieser Faszien befinden sich die großen Versorgungsstrukturen des Körpers, das sind die Blutgefäße, Lymphgefäße und Nerven. Blut- und Lymphgefäße versorgen die Faszien mit ausreichend Flüssigkeit, so dass die Gleitfähigkeit der Faszien gewährleistet ist. Um diese Gleitfähigkeit aufrecht zu erhalten ist die Anwesenheit von genügend Flüssigkeit essentielle Bedingung.
Der Aufbau des Bindegewebes
Die Grundstruktur des Bindegewebes besteht aus kollagenen, elastischen und retikulären Faserbündeln. Diese Faserbündel
werden immer wieder neu von den im Gewebe anwesenden Bindegewebszellen aufgebaut. Bedingung für diesen Aufbau ist ein Reiz. Sie benötigen einen Reiz um sich zu bilden. Dieser Wachstumsreiz ist die Belastung bzw. sind einwirkenden Kräfte, die das Gewebe erfährt und analog dieser Kraftlinien bildet sich
das fasziale Gewebe der kollagenen- und elastischen Fasern aus. Das bedeutet, dass neben der anwesenden Flüssigkeit auch Bewegung / Kraft auf das Bindegewebe einwirken muss, ansonsten würde kein Wachstumsreiz für die Fasern entstehen.
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Myofasziale Steuerung
Achtung: jetzt wird's etwas theoretisch
In den letzten Jahren wird eine myofasziale Steuerung im Fasziengewebe diskutiert (Yahia 1993) die vom autonomen Nervensystem gesteuert wird. Unser autonomes Nervensystem besteht stark vereinfacht aus zwei gegensätzlichen Partnern, die sich zusammen ergänzen und die unwillkürlichen Steuerungsvorgänge in unserem Körper regulieren. Diese beiden Partner sind der Orthosympathicus als Aktivator und der Parasympathicus als hemmender Teil des Nervensystems. Daraus lässt sich die Funktion dieser beiden Anteile für das Fasziensystem ableiten. Der Orthosympathicus aktiviert die myofaszialen Muskelzellen und begünstigt eine aktive Vorspannung unserer Faszien. Im Gegensatz hierzu reduziert der Parasympathicus antagonistisch diese myofasziale Anspannung der Muskelzellen im Fasziengewebe.
Daueraktivierung der Muskeln für zu Verklebung von Bindegewebe
Anhand dieser Gegebenheiten lässt es sich leicht ableiten was passiert, wenn die autonome Steuerung aufgrund von hoher und zu langer Anspannung (zum Beispiel zuviel Stress) zu einer Daueraktivierung der Muskelzellen im Bindegewebe führt. Das Fasziensystem steht in diesem Fall unter einer Daueranspannung der kontraktilen Muskelelemente, was die reproduktiven und nutritiven physiologischen Vorgänge im Fasziengewebe behindern würde. Crosslinks, sogenannte Querverbindungen zwischen den parallelen Bindegewebsfasern bilden sich und führen dazu, dass die strukturelle Eigenschaft der parallelen Ausrichtung der Bindegewebsfasern lokal verloren geht und zu Querkräften führt. Das Bindegewebe kann diese nicht mehr verarbeiten und es kommt zu Überlastung der lokalen Strukturen. Auf diesen Reiz reagiert unser Körper mit einer lokalen Entzündungsreaktion. Damit das Fasziengewebe seine physiologische Funktion erfüllen kann muss ausreichend Flüssigkeit im Gewebe vorhanden sein.
Eingeschränkte Gleitfähigekit des Fasziengewebes
Man spricht von Faszienverklebungen, wenn die Gleitfähigkeit des Fasziengewebes eingeschränkt ist. Dies kann entstehen, wenn sich Sehnen und Muskeln aufgrund von Bewegungsmangel stark verkürzen, zum Beispiel, wenn man längere Zeit einen Gips trägt. Aber auch bei typischem beruflich bedingten Bewegungsmangel oder bei älteren oder geschwächten Menschen kann dies auftreten. Eine weitere Ursache können feine Risse im Fasziengewebe sein, die bei Überlastung entstehen können. Man spricht auch gern vom Muskelkater. Ein zuviel davon kann auf längere Sicht zu "Verklebungen" im Gewebe führen. Ein weiterer Faktor ist der Lymphfluss. Normalerweise liegt Fibrinogen in der Lymphe in gelöster Form vor. Bei einem Lymphstau hingegen reichert sich das Fibrinogen im Gewebe an und wird dort nun unter Einwirkungen anderer Substanzen zu Fibrin abgebaut. Aus dem Blutgerinnungsfaktor Fibrinogen wird somit Fibrin – ein körpereigener "Klebstoff", dessen Aufgabe normalerweise das Verschliessen von Wunden ist. Da jedoch keine Wunde vorhanden ist, verklebt das Fibrin stattdessen das umliegende Fasziengewebe.
Andrew Taylor Still beschrieb die sensorische Funktion der Faszie:
„Wenn man mit den Faszien arbeitet, behandelt man die Zweigstellen des Gehirns; und nach den allgemeinen Geschäftsregeln haben die Zweigstellen gewöhnlich die gleichen Eigenschaften wie die Zentrale. Also warum sollte man die Faszien nicht mit dem gleichen Maß an Respekt behandeln wie das Gehirn selbst“ (Still 1899).
Weiterhin ist anzumerken, dass diese freien Nervenenden als „Fühler des autonomen Nervensystems“ funktionieren und Reize der Ruffini-Rezeptoren und freien Nervenendungen direkt das vegetative Nervensystem stimulieren (Schleip 2004). Insofern können die Faszien als „Eintrittstor zum Vegetativum“ beschrieben werden um mittels manueller therapeutischer Reize auf das autonome Nervensystem einzuwirken. In Tierversuchen wurde bereits nachgewiesen, dass tiefer, langsamer Druck auf die Bauchregion eine allgemeine parasympathische Reaktion auslöst (Folkow 1962).
Ein weiterer Aspekt betrifft die aktive Faszienregulation die mittels Belastungstests an menschlichen Faszien untersucht wurde. Yahia beschreibt seine Untersuchungsergebnisse mit dem Resumé, dass in den Faszien eine aktive Gewebekontraktion mittels kontraktiler Zellen nachgewiesen wurde ähnlich der glatten Muskelzellen im Darmgewebe (Yahia 1993, Staubesand 1996). Es scheint wahrscheinlich das diese aktiven und kontraktilen Elemente der Körperfaszien zu einer Faszienvorspannung des Bewegungsapparates führen, um Kampf / Fluchtreflexe zu intensivieren. Dieses bestätigen die Untersuchungen von Garfin, der zeigen konnte, dass die Festigkeit der faszialen Muskelhülle einen signifikanten Einfluss auf die Muskelkraft hat (Garfin 1981).
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