Es gibt in Deutschland noch kein anerkanntes Berufsbild des Osteopathen. Man kann nur als Arzt oder als amtlich geprüfter Heilpraktiker die Osteopathie praktizieren. Alle anderen Ausübungspraktiken bewegen sich auf illegalem Boden, da die Osteopathie eine heilkundliche Behandlungsart ist, die nur von Ärzten und Heilpraktikern ausgeübt werden darf. Der Verband der Osteopathen Deutschland (V.O.D. e.V) setzt sich seit Jahren dafür ein, in Deutschland ein eigenständiges Berufsbild des Osteopathen zu etablieren. Auch eine standardisierte Osteopathie Ausbildung weist in diese Richtung.
Die Tätigkeit des Osteopathen besteht darin, eine eigenständige, manuelle (mit den Händen ausgeführte) Untersuchung am Patienten vorzunehmen und anhand der daraus erstellten Diagnose eine eigens auf diesen Patienten abgestimmte osteopathische Behandlung durchzuführen. Begleitend zur osteopathischen Diagnostik werden die Krankengeschichte (Anamnese) und alle weiteren medizinischen Voruntersuchungen wie zum Beispiel MRT, Röntgenaufnamen oder Labordiagnostik zu Rate gezogen.
Das heißt, der Osteopath muss über ein profundes Wissen verfügen um medizinische Untersuchungsergebnisse zu verstehen und in die eigene Befunderhebung einfließen zu lassen. Dazu gehört ein umfassendes Basiswissen in den Bereichen Biochemie, Pharmakologie, Psychologie, bildgebende Untersuchungsverfahren, Embryologie, Histologie und Physiologie.
A.K.: Was bereitet Ihnen am Beruf des Osteopathen Freude?
Ich denke, das hat sehr viel damit zu tun, dass es sich um einen selbstbestimmten Beruf handelt, in dem ich frei arbeiten kann und die volle Verantwortung für meine Tätigkeit trage. Darüber hinaus unterliege ich keinen Zwängen oder „Direktiven“ von etwaigen Vorgesetzten oder Kollegen. Der Patient, der mich in meiner Praxis aufsucht, ist mein Kooperationspartner. Als Osteopath stelle ich eine eigenständige Diagnose unter Zuhilfenahme anderer medizinischer Befunde und leite daraus die osteopathische Behandlung ab. Der Behandlungsablauf und -aufbau sowie die Folgebehandlungen werden anhand des osteopathischen Befundes und in Zusammenarbeit mit dem Patienten abgestimmt. Ich empfinde die osteopathische Arbeit mit dem Patienten erfüllend und verantwortungsvoll.
Außerdem komme ich als Osteopath in Kontakt mit Menschen jeglicher Altersgruppen, das heißt vom neugeborenen Säugling bis zur Rentnerin, dem Rentner in hohem Alter. Dadurch erfahre ich viel über typische Erkrankungen von bestimmten Altersgruppen und werde vertraut mit den Veränderungen, denen unser Köpergewebe während seines Lebens unterliegt. Eine sehr spannende Angelegenheit.
Nun ja, es ist einfach ein schönes Gefühl, Menschen in ihrer gesundheitlichen Entwicklung weiterzuhelfen. Darüber hinaus schafft es auch immer ein großes Gefühl der Zufriedenheit, wenn ich Patienten dabei behilflich sein kann, sich in ihrem Gesundheitsprozess bzw. Gesundheitszustand zu verbessern, insbesondere wenn Patienten, nach langer erfolgloser Suche beim Osteopathen landen.
A.K.: Welche Situationen sind frustrierend?
Frustrierend ist es, wenn sich bei einem Patienten gesundheitlich nichts verändert und dieser mit den immer gleichen Symptomen zur Behandlung kommt. Es ist auch frustrierend, wenn Patienten ihre Termine vergessen oder Rechnungen nicht bezahlen.
A.K: Welchem Menschentypen würden Sie empfehlen Osteopath zu werden?
Das ist eine schwierige Frage. Ich würde sagen, all jenen Menschen die genug Durchhaltevermögen besitzen, um sich fünf Jahre lang mit Anatomie, Embryologie und Physiologie zu beschäftigen und auch im weiteren Berufsleben bereit sind, sich kontinuierlich weiterzubilden und viel Freizeit und finanzielle Mittel für ihre berufliche Weiterentwicklung aufzubringen.
Die Grundvoraussetzung ist meiner Meinung nach eine empathische Haltung bzw. die Fähigkeit, mit anderen Menschen „mitzuschwingen“. Ich denke, der Osteopath muss seinen Mitmenschen gegenüber offen, ehrlich und klar begegnen.
Realistisch gesehen, sollte man sich im Laufe der Berufsausbildung zum Osteopathen früher oder später als Freiberufler selbstständig machen. Das bedeutet also, dass Menschentypen, die ein hohes Sicherheitsbedürfnis oder eine starke materielle Ausrichtung haben eher vom Beruf des Osteopathen abzuraten ist. Erfahrungsgemäß sind Ausbildungszeit und auch die ersten Berufsjahre finanziell nicht sehr erträglich.
Weiterhin ist es ratsam, wenn schon Erfahrungen in den sogenannten „helfenden Berufen“ gemacht wurden, sei es im Rahmen eines längeren Praktikums (Zivildienst, freiwilliges soziales Jahr) oder einer Erstberufsausbildung als Krankenschwester, Physiotherapeut, Heilpraktiker oder verwandten Berufsbildern. Den Beruf des Osteopathen zu ergreifen, hat meiner Meinung etwas mit Berufung zu tun.
A.K.: Die Osteopathie gehört zur Alternativmedizin. Regelmäßig wird die tatsächliche Wirksamkeit dieser Behandlungsmethode angezweifelt. Wie nehmen Sie dazu Stellung?
Ich denke, das Anzweifeln der osteopathischen Behandlung beruht darauf, dass sich die meisten Untersuchungsarten auf die vorhandene Erkrankung des Patienten und auf die zu verabreichende Therapie konzentrieren. Krankheiten (Pathologie) gehören in unserem Medizinsystem zur Ausgangsbasis einer jeden Behandlung und stehen im Vordergrund. Der allgemeine Gesundheitszustand des Patienten wird bei solchen Untersuchungen nicht berücksichtigt. Die osteopathische Medizin dagegen sieht die Gesundheit als Grundvoraussetzung für eine Behandlung an und das Ziel ist es, diese beim Patienten vermehren. Ihr Anspruch ist also nicht, Pathologien (das heißt Erkrankungen, die mit einer nicht mehr umkehrbaren Veränderungen des Körpergewebes einhergehen) zu therapieren, sondern die Selbstheilungskräfte im Menschen zu stärken. Dieser Aspekt bleibt bei der Bewertung von Therapieverfahren zur Behandlung bestimmter Krankheitsbilder unberücksichtigt.
Die osteopathische Medizin will den Patienten also präventiv zu behandeln, und das Gesundheitssystem des Patienten solcherart stärken, dass der Körper zukünftig einen besseren Schutz gegen Erkrankungen hat. Dass darüber hinaus auch bestehende Symptome mittherapiert werden, versteht sich von selbst.
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